Beschreibung
Rückenpanzer
gewölbt, ohne Scharnier, mit Einkerbung in der Nackenregion und steil
abfallenden, fast parallel verlaufenden Seiten. Hintere Randschilder ungesägt
und abwärts gebogen. Nackenschild kann fehlen; wenn vorhanden, dann
lang und schmal. Wirbelschilder breiter als lang, ihre Areolen sind leicht
erhaben und von deutlichen Wachstumsringen umrahmt. Knöcherne Wirbelplatten
achteckig oder quadratisch; zwei Steißplatten vorhanden. Auf jeder
Seite elf Randschilder, Schwanzschild ungeteilt. Wirbel- und Rippenschilder
dunkelbraun bis schwarz, mit gelben Areolen, von denen strahlenförmig
mehrere breite gelbe Streifen ausgehen (auf den Wirbelschildern meist 6-8,
auf den Rippenschildern 4-6); diese Zeichnung verblasst mit zunehmendem
Alter immer mehr, und sehr alte Tiere besitzen in der Regel einen glatten,
gelblichen Rückenpanzer.
Bauchpanzer
gut entwickelt, Vorderlappen länger und schmaler als Hinterlappen,
läuft nach vorne hin schmal zu. Zwischen Arm- und Brustschildern liegt
bei erwachsenen Exemplaren ein mehr oder weniger bewegliches Scharnier;
im knöchernen Teil des Bauchpanzers liegt es zwischen Epi- und Hyoplastra
und ist entweder im hinteren Bereich des Entoplastrons oder aber hinter
dieser Knochenplatte platziert; Scharnier deutlich rudimentär, funktioniert
nicht mehr als zuverlässiger Schutz. Hinterlappen des Bauchpanzers
breit und sehr kurz, zeigt während der Eiablage ebenfalls eine spontane
Beweglichkeit. Einkerbung zwischen den Afterschildern. Kehlschilder paarig
ausgebildet, nicht verdickt, ragen bei geöffnetem Bauchpanzerscharnier
vorne höchstens ein wenig über den Vorderrand des Rückenpanzers
hinaus; deutliche Einbuchtung zwischen den Kehlschildern. Auf jeder der
breiten Brücken liegen ein kleines Achselschild und 1-2 größere
Hüftschilder. Knöcherne Achsel- und Hüftstreben des Bauchpanzers
kurz, erreichen nicht die Rippenplatten des Rückenpanzers. Bauchpanzers
einfarbig gelb bis hornfarben oder gelbbraun oder mit wenigen dunklen Tupfen
auf den Brücken.
Kopf
mittelgroß, Schnauze springt nicht hervor, Oberkiefer mit leichtem
Hakenschnabel. Zwischenkiefer- und Oberkieferknochen ohne mittelständige
Kauleiste, Kieferränder leicht gezähnelt. Quadratumknochen umschließen
nicht die Steigbügel. Öffnungen im vorderen Bereich des Palatinumknochens
groß. Einzigartig ist der Bau der Halswirbel: sie sind mit Ausnahme
des Atlas entweder alle procoel ausgebildet (d. h. vorne konkav eingebuchtet
und hinten konvex gewölbt), oder aber, was meist der Fall ist, der
zweite Halswirbel ist beidseitig konvex; ERNEST WILLIAMS fand bei 88 von
ihm untersuchten Exemplaren bei sieben Tieren den ersten, bei den restlichen
81 Schildkröten den zweiten Typ vor. Bei anderen Schildkrötenarten
stellen beide Möglichkeiten eine selten auftretende Abnormalität
dar. Kopf überwiegend schwarz, mit einigen gelben Flecken.
Beine
keulenförmig, Vorderfüße mit fünf Krallen. Vorderseite
der Vorderbeine mit 7-8 Längsreihen großer, einander nicht überlappender
Schuppen bedeckt. Spornartige Schuppen auf den Fersen der Hinterfüße,
auf den Oberschenkeln einige stumpfe Hornkegel. Vorderseite der Hinterbeine
mit einer Längsreihe großer, einander nicht überlappender
Schuppen bedeckt. Schwanz nicht deutlich abgeflacht. Schwanzspitze mit
stachelförmiger Hornschuppe versehen. Beine und Schwanz an den Außenseiten
gelblichbraun, an den Innenseiten schwarz gefärbt.
Größe
Pyxis
arachnoides erreicht eine Rückenpanzerlänge von bis zu etwa
15 cm und ein Gewicht von bis zu ca. 550 g.
Geschlechtsunterschiede
Männliche
Gewöhnliche Spinnenschildkröten besitzen einen längeren,
dickeren Schwanz als ihre weiblichen Artgenossen; der Hornnagel an der
Schwanzspitze ist bei männlichen Exemplaren kräftiger entwickelt.
Der Rückenpanzer der Weibchen ist rundlicher und oberseits abgeflacht,
der der Männchen stärker gewölbt und seitlich eingedrückt;
bei letzteren wird er vom 8. Randschild ab rückwärts breiter
und aufgewölbter.
Möglicherweise
werden weibliche Tiere etwas größer als ihre männlichen
Artgenossen. JESU UND SCHIMMENTI nannten für die von ihnen untersuchte
Population von Pyxis arachnoides arachnoides folgende Durchschnittswerte:
Weibchen: 12,2 ± 1,4 cm (Länge), 8,2 ± 0,7 cm (Breite)
und 6,5 ± 0,8 cm (Höhe); die entsprechenden Zahlen lauteten
für die männlichen Schildkröten 11,6 ± 1,1 cm, 7,7
± 0,7 cm und 6 ±0,5 cm. Das größte Weibchen war
14,5 cm lang, 9,2 cm breit und 7,8 cm hoch, das größte männliche
Exemplar zeigte Maße von 13,2, 8,2 und 6,6 cm.
JESU
UND SCHIMMENTI ermittelten bei der von ihnen untersuchten Population ein
Geschlechterverhältnis von etwa 1:1, MALZY stellte bei 25 von ihm
beobachteten Tieren ein Verhältnis von einem Männchen auf 1,3
Weibchen fest.
Verbreitung
Die
Gewöhnliche Spinnenschildkröte besiedelt einen schmalen (landeinwärts
10-50 km) Küstenstreifen im Süden Madagaskars, etwa vom Mahajamba-Fluss
bei Morombe im Norden über das Kap Sainte-Marie bis Amboasary in der
Nähe der Stadt Faradofay im Süden.
GERALD
KUCHLING fand im Dezember 1984 in der Nähe des Dorfes Taranta an der
Bucht von Baly, etwa 10 km nordwestlich der Stadt Soalala, also weit nördlich
der bisher angenommenen nördlichen Verbreitungsgrenze der Art, ein
erwachsenes Weibchen und die Spuren einer weiteren kleinen Schildkröte.
Andere erfahrene Forscher vor und nach ihm konnten jedoch trotz intensiver
Suche niemals Pyxis arachnoides nördlich von Morombe entdecken.
Nur SIEBENROCK hatte bereits 1906 über ein Vorkommen in der Umgebung
von Maintirano berichtet. Gegen eine eventuelle Verwechslung mit der ähnlichen
Pyxis
planicauda spricht die Tatsache, dass das von KUCHLING untersuchte
Weibchen ein bewegliches Bauchpanzerscharnier besaß, das der Flachrücken-Spinnenschildkröte
fehlt; allerdings weist auch die nördlichste Unterart der Gewöhnlichen
Spinnenschildkröte, die ja am ehesten in Soalala zu erwarten wäre,
kein bewegliches Scharnier auf. Das mögliche Vorkommen der Art nördlich
von Morombe ist also nach wie vor geheimnisumwittert, wegen der schweren
Auffindbarkeit von Pyxis arachnoides, zumindest während der
Trockenzeit, aber nicht völlig auszuschließen. Die Beweglichkeit
des Bauchpanzerscharniers des aufgefundenen Weibchens lässt jedoch
vermuten, dass es sich um ein von Menschen mit einem Schiff entlang der
Küste verschlepptes Exemplar der südlichsten Unterart, Pyxis
arachnoides oblonga, handelte, wie auch der französische Schildkrötenspezialist
ROGER BOUR meint.
Verschiedentlich
wird von einem Vorkommen bei Soalala an der Westküste Madagaskars,
weitab des bisher bekannten Verbreitungsgebietes, berichtet, doch konnte
dies bisher noch nicht definitiv bestätigt werden; möglicherweise
kommt ja die ähnliche Pyxis planicauda dort vor.
Unterarten
Momentan
werden drei Unterarten anerkannt:
1)
ONILAHY-SPINNENSCHILDKRÖTE
PYXIS
ARACHNOIDES ARACHNOIDES BELL, 1827
Originalbeschreibung:
On two new genera of land tortoises.- Transactions of the Linnean Society
of London, 15: S. 395
Originalname:
Pyxis arachnoides BELL, 1827
Syntypen:
zwei Exemplare, Nummern 1092 und 8528 im Oxford University Museum in
Oxford, Großbritannien und Nordirland. Der französische Schildkrötenspezialist
ROGER BOUR bestimmte 1978 Nummer 1092 zum Lectotypus
Terra
typica: Nicht angegeben
Terra
typica designata (BOUR, 1978): Soalara (Baie du Saint-Augustin), sud-ouest
de Madagascar (= Soalara an der Bucht von Saint-Augustin, Provinz Toliara,
Madagaskar)
Etymologie:
arachnoides = (gr.) spinnenartig; bezieht sich auf die spinnennetzartige
Panzerzeichnung dieser Art
Englisch:
Common spider tortoise (= Gewöhnliche Spinnen-Landschildkröte)
Französisch:
Pyxide arachnoïde commune (= Gewöhnliche Spinnenartige Pyxis)
Beschreibung:
Bauchpanzer einfarbig gelb bis hornfarben oder gelbbraun; Bauchpanzerscharnier
einigermaßen beweglich; Kehlschilder deutlich nach vorne hervorstehend;
Achselschilder nur wenig länger als breit.
Verbreitung:
Diese Unterart lebt entlang der Südwestküste Madagaskars im Bereich
des Onilahy-Flusses in der Umgebung der Stadt Toliara, der ihr Verbreitungsgebiet
in einen nördlichen und einen südlichen Teil zerschneidet. Das
Areal reicht im Norden bis zum Manombo-Fluss, im Süden etwa bis zum
Tsimanampetsotsa-See.
2)
MOROMBE-SPINNENSCHILDKRÖTE
PYXIS
ARACHNOIDES BRYGOOI (VUILLEMIN und DOMERGUE, 1972)
Originalbeschreibung:
Contribution a l’étude de la faune de Madagascar: description de
Pyxoides brygooi n. gen. n. spec. (Testudinidae).- Annales d’Université
de Madagascar, Série des Sciences Naturelles et de Mathématique,
Tananarive, 9: S. 193
Originalname:
Pyxoides brygooi VUILLEMIN und DOMERGUE, 1972
Syntypen:
Nummer A.277 im Muséum National d’Histoire Naturelle in Paris, Frankreich
Terra
typica: C’est sur la côte Sud-Ouest entre Morombe et Tuléar,
aux alentours du lac Ihotry, dans la forêt de Mikea (= Wald von Mikea
in der Umgebung des Ihotry-Sees zwischen Morombe und Toliara, Provinz Toliara,
Madagaskar)
Terra
typica restricta (BOUR, 1978): Ampanonga (N. W. Lac Ihotry), sud-ouest
de Madagascar (= Ampanonga am Nordwestufer des Ihotry-Sees, Provinz Toliara,
Madagaskar)
Etymologie:
brygooi = benannt nach ÉDOUARD-RAOUL BRYGOO, einem französischen
Herpetologen, der sich um die Erforschung der madagassischen Herpetofauna
verdient gemacht hat.
Englisch:
Northern spider tortoise (= Nördliche Spinnen-Landschildkröte)
Französisch:
Pyxide arachnoïde du Nord (= Nördliche Spinnenartige Pyxis)
Beschreibung:
Bauchpanzer mit vereinzelten schwarzen Flecken. Bauchpanzerscharnier unbeweglich,
Kehlschilder nur leicht nach vorne hervorstehend. Achselschilder deutlich
länger als breit.
Nomenklatur:
Diese Form wurde von VUILLEMIN und DOMERGUE aufgrund ihres unbeweglichen
Bauchpanzerscharniers ursprünglich als eine eigenständige Art
einer neuen Gattung unter der Bezeichnung Pyxoides brygooi beschrieben.
Verbreitung:
Pyxis arachnoides brygooi ist im Norden des Artareals verbreitet.
Man findet sie südwestlich des Mangoky-Flusses in der Region zwischen
der Stadt Morombe, dem Ihotry-See und der Bucht von Fanemotra.
3)
ANONY-SPINNENSCHILDKRÖTE
PYXIS
ARACHNOIDES OBLONGA GRAY, 1869
Originalbeschreibung:
Notes on the families and genera of tortoises (Testudinata), and on the
characters afforded by the study of their skulls.- Proceedings of the Zoological
Society of London: S. 173
Originalname:
Pyxis oblonga GRAY, 1869
Holotypus:
Nummer 1861.3.20.31 im Natural History Museum in London, Großbritannien
und Nordirland
Terra
typica: nicht angegeben
Terra
typica restricta (BOUR, 1982): Cap Sainte-Marie, province du Tuléar,
sud de Madagascar (= Kap Sainte-Marie, Provinz Toliara, Madagaskar)
Etymologie:
oblonga = (lat.) länglich; bezieht sich auf die längliche Panzerform
dieser Art
Englisch:
Southern spider tortoise (= Südliche Spinnen-Landschildkröte)
Französisch:
Pyxide arachnoïde du Sud (= Südliche Spinnenartige Pyxis)
Nomenklatur:
Der französische Schildkrötenspezialist ROGER BOUR untersuchte
im Jahre 1978 die geographische Variabilität der Gewöhnlichen
Spinnenschildkröte und beschrieb die Anony-Spinnenschildkröte
als eigenständige Unterart mit dem Namen Pyxis arachnoides matzi.
Wenig später stellte sich jedoch heraus, dass sich der bereits 1869
von JOHN EDWARD GRAY geprägte Name Pyxis oblonga ebenfalls
auf diese Population bezog und nach den Regeln der zoologischen Nomenklatur
somit Priorität genießt.
Beschreibung:
Bauchpanzer mit vereinzelten schwarzen Flecken. Bauchpanzerscharnier sehr
gut beweglich, kann vollständig geschlossen werden. Kehlschilder nur
leicht nach vorne hervorstehend. Achselschilder breiter als lang.
Verbreitung:
Die Anony-Spinnenschildkröte besiedelt den Süden des Verbreitungsgebietes
der Art. Ihre Heimat ist die Südküste Madagaskars zwischen dem
Linta-Fluss im Westen und dem Anony-See bei Amboasary im Osten; am
häufigsten tritt sie jedoch etwa zwischen den Städten Ambovombe
und Lavanono auf. Landeinwärts dringt die Unterart etwa bis zur Stadt
Tsihombe vor.
Lebensraum
Pyxis
arachnoides ist eine Bewohnerin sandiger Böden in trockenen und
halbtrockenen Dornbusch- und Halbwüstengebieten und dringt teilweise
bis zu den spärlich bewachsenen Sanddünen in Meeresnähe
vor. Auf letzteren wächst eine niedrige Buschvegetation im oberflächlich
humusfreien und auch während der Regenzeit fast immer trockenen Sand;
die Schildkröten sind hier auf den freien Flächen zwischen den
Büschen aktiv und suchen in den spärlich mit Gras bewachsenen
Senken nach Nahrung. Dieser Lebensraum in den Sanddünen ist extrem
trocken, da der wasserdurchlässige Sandboden einer starken Sonneneinstrahlung
ausgesetzt ist und die niedrigen Büsche kaum Schatten werfen; die
täglichen Temperaturschwankungen sind geringer als in weiter landeinwärts
gelegenen Regionen, da die Nähe des Meeres und die Seebrise ausgleichend
wirken.
Das
Klima im Verbreitungsgebiet der Gewöhnlichen Spinnenschildkröte
ist semiarid und tropisch heiß, die jährliche Regenzeit währt
nur 1-4 Monate. Dominierende Vegetationsform sind hier blattlose, stachelige
oder sukkulente Pflanzenarten, so die für Madagaskar endemischen,
d. h. nur hier vorkommenden Euphorbien und Didieraceen sowie die für
weite Teile Afrikas typischen Affenbrotbäume.
Im
südlichsten Teil des Verbreitungsgebietes werden die Niederschläge
extrem unregelmäßig und fallen in Form sehr lokaler Gewitterregen.
Einzelne Gebiete erhalten für 12-18 Monate überhaupt keinen Regen.
Der Boden ist dann so hartgebacken, dass die ersten Regenfälle kaum
abfließen können; so sah KUCHLING im Dezember 1985 eine Dornbuschlandschaft
zwischen Ampanihy und Tsihombe nach einem Gewitterregen für ein paar
Stunden tatsächlich unter Wasser stehen. Oft fällt so die gesamte
Niederschlagsmenge eines Jahres oder sogar von eineinhalb Jahren aufgrund
eines Zyklons innerhalb weniger Stunden.
JESU
und SCHIMMENTI beobachteten, dass bei der von ihnen in der Umgebung von
Anakao südlich des Onilahy-Flusses untersuchten Population der Nominatform
hauptsächlich männliche Tiere auf Sanddünen beobachtet wurden,
doch konnte noch nicht ermittelt werden, ob dies tatsächlich auf unterschiedliche
Lebensgewohnheiten der Geschlechter zurückzuführen sein könnte.
Die
auf den ersten Blick ziemlich auffällige Panzerzeichnung dieser Art
stellt im natürlichen Biotop mit Schatten, trockenem Unterholz und
Falllaub eine so hervorragende Tarnung dar, dass man davon ausgehen kann,
dass die Tiere auch oft übersehen werden. Am leichtesten entdeckt
man die Tiere, indem man nach den typischen Spuren im Sand sucht, die direkt
zu ihren Ruheplätzen führen. Der Sand ist auch nach ergiebigen
Regenfällen noch sehr locker, sodass die Spuren auch dann noch zu
sehen sind.
Populationsdichte
Die
von JESU UND SCHIMMENTI untersuchte Population wies eine relativ hohe Dichte
von mindestens drei Schildkröten pro Hektar auf, doch ist diese Zahl
so lange nicht aussagekräftig, solange nicht genauere Daten zur Biologie
der Art, insbesondere zu Territorialität und möglichen saisonbedingten
Wanderungen, vorliegen. In manchen potentiellen Habitaten fehlt die Art
offenbar ganz, während die Individuendichte in anderen Regionen dagegen
manchmal relativ hoch ist.
Jahresaktivität
Die
relativ kühle Trockenzeit, die von März bis Dezember andauern
kann, verbringen die Tiere größtenteils panzertief vergraben
im Sandboden unter Sträuchern, vertrockneten Grasbüscheln und
anderen geschützten Stellen. Hier harren sie wochen- oder gar monatelang
ohne Nahrungsaufnahme aus. Möglicherweise hat das Bauchpanzerscharnier
nicht nur Schutzfunktion gegen Raubfeinde, sondern wirkt im verschlossenen
Zustand auch als Verdunstungsschutz; dafür spricht, dass das Scharnier
nur bei den beiden Unterarten beweglich ist, die im trockensten Bereich
des Verbreitungsgebietes leben.
Während
der kurzen, nur ein- bis viermonatigen Regenzeit, wenn die Temperaturen
nachts nicht mehr stark absinken, fällt der größte Teil
der jährlichen Niederschläge in Höhe von ca. 400-500 mm.
Innerhalb dieses Zeitraumes, dem Sommer der Südhalbkugel, sind die
Schildkröten weitaus aktiver als in der Trockenzeit. Mit Einsetzen
der ersten Regenfälle tauchen die Tiere plötzlich in größerer
Zahl auf und trinken ausgiebig, um sich anschließend an den keimenden
Pflanzen gütlich zu tun, die nun innerhalb weniger Tage aus dem Boden
„schießen“. Auch Paarungen finden sofort zu Beginn der Regenzeit
statt. KUCHLING beobachtete die Spinnenschildkröten im Dezember und
Januar auf den Freiflächen zwischen den Büschen in den bewachsenen
Sanddünen entlang der Küste bei Beheloka, südlich von Toliara
am Kap Faux. Die Tiere suchten in den spärlich mit Gras bewachsenen
Senken nach Nahrung.
Tagesaktivität
Während
der Regenzeit sind die Schildkröten an sonnigen Tagen etwa von 6-9
und 16.30-18 Uhr aktiv, an bedeckten Tagen ziehen sie sich nur während
der heißesten Mittagszeit unter Wurzeln, Falllaub und Steinhaufen
zurück. Stärkere Windböen führen dazu, dass sich die
Tiere sofort an ihre Ruheplätze flüchten. Während der Trockenzeit
sind nur einzelne Tiere manchmal morgens zwischen 6 und 8 Uhr und nachmittags
zwischen 17 und 18 Uhr an der Erdoberfläche anzutreffen. An bewölkten
Tagen oder während vereinzelter Regenfälle sind sie jedoch auch
während der Trockenzeit ganztägig aktiv anzutreffen, was bei
der Seltenheit der Regenfälle im Süden des Verbreitungsgebietes
auch nicht anders zu erwarten ist.
Fortpflanzung
Die
Fortpflanzungsbiologie der Gewöhnlichen Spinnenschildkröte ist
noch weitgehend unbekannt. Paarungen finden in der Regenzeit statt.
Das
Gelege der Gewöhnlichen Spinnenschildkröte besteht aus einem
einzigen Ei, welches 3,3-3,5 x 2,5-3,0 cm misst und etwa 13-20 g wiegt.
Die Anzahl der Gelege pro Saison ist aus natürlichen Vorkommen nicht
bekannt, unter Terrarienbedingungen fanden jedoch schon bis zu drei Eiablagen
pro Weibchen und Jahr statt.
Der
Schlupf erfolgt offenbar zu Beginn der Regenzeit nach etwa 220-250 Tagen,
wenn die kleinen Schildkröten auch in den trockensten Regionen des
Verbreitungsgebietes genug frische Pflanzennahrung finden. Frisch geschlüpfte
Jungtiere wurden bisher von Februar bis Ende April gefunden. Sie sind etwa
4,5 cm lang und 16 g schwer.
Wachstum
Ein
bei HÖNIGSBERGER im Inkubator geschlüpftes Jungtier wog im Alter
von zwei Monaten bereits 20 g. Nach Angaben von PAULL entwickeln Jungtiere
der Nominatform ihr Bauchpanzerscharnier mit einer Rückenpanzerlänge
von etwa 7,6-8,3 cm.
Ernährung
Pyxis
arachnoides ernährt sich hauptsächlich von Gräsern,
Kräutern und den frischen Trieben sukkulenter Pflanzen, aber offenbar
auch von Insekten. KUCHLING beobachtete einige Exemplare beim Verzehr trockenen
Kuhmists; möglicherweise befanden sich im Kuhmist verschiedene Insektenlarven.
Gefährdung
Pyxis
arachnoides fällt in die Gefährdungskategorie „Vulnerable“
(= „Anfällig“) des Rotbuches der IUCN (= Internationale Naturschutzunion).
Mittelfristig besteht demnach für die Spinnenschildkröte die
große Gefahr des Aussterbens in der Natur. Das potentielle Verbreitungsgebiet
umfasst eine Fläche von weniger als 20.000 km², und von den bekannten
Populationen wird ein Areal von insgesamt weniger als 2.000 km² Ausdehnung
besiedelt, wobei beide Schätzungen zufolge auch weiterhin schrumpfen;
auch ein weiterer Verlust an Populationen und geeigneten Lebensräumen
wird erwartet. Insgesamt ist das Verbreitungsgebiet der Art stark fragmentiert;
möglicherweise existieren inzwischen höchstens noch zehn Populationen.
Zumindest nördlich des Onilahy-Flusses ist die Art allerdings noch
recht häufig, wenn auch nur lokal anzutreffen.
Die
ursprüngliche Größe des Verbreitungsgebietes und der Populationen
der Art ist nicht bekannt, doch gehen die heutigen Bestände durch
die fortschreitende Umweltzerstörung und die mittelfristig damit verbundene
Klimaveränderung im Süden Madagaskars vermutlich immer mehr zurück.
Da ihre Lebensräume z. T. sehr trocken sind, hatte die Art zwar weniger
unter der Viehwirtschaft zu leiden als andere madagassische Landschildkrötenarten,
doch zwingt die Armut der einheimischen Bevölkerung, der Mahafaly
und Antandroy, die Leute zur Verarbeitung der Sukkulentengehölze zu
Bauholz und Holzkohle sowie zur Brandrodung zwecks der Gewinnung von landwirtschaftlichen
Flächen. Die Bevölkerungsexplosion auf Madagaskar (ca. 80 % der
Bevölkerung sind jünger als 20 Jahre) wird die Zerstörung
des „Dornenlandes“ noch beschleunigen, was mittelfristig auch zu Klimaveränderungen
und zu Störungen des Wasserhaushaltes auf der Insel führen wird.
Die Niederschläge im ohnehin trockenen Süden des Landes werden
noch seltener werden und unregelmäßiger fallen. Da (nicht nur)
bei den Spinnenschildkröten die Fortpflanzungsperiodik an jahreszeitliche
Zyklen gekoppelt ist, kann dies zum Ausfall kompletter Jahrgänge führen.
JESU
UND SCHIMMENTI fanden vom 5. bis 12.2.1995 in der Umgebung des Dorfes Anakao
67 Exemplare von Pyxis arachnoides arachnoides, von denen allerdings
nur jeweils ein Exemplar im Schlüpflings- bzw. im Jungtieralter waren.
Da beide Forscher davon ausgehen, dass sie in der offenen Landschaft kaum
eine Schildkröte übersehen haben und die Jungtiere auch nicht
weniger aktiv sind als ihre erwachsenen Artgenossen, gehen sie davon aus,
dass zahlreiche Gelege und Jungtiere den vom Menschen hier eingeführten
Larvenschweinen (Potamochoerus larvatus) zum Opfer fallen. Keines der von
JESU UND SCHIMMENTI untersuchten Tiere zeigte Verletzungen durch Schweine
oder Feuer auf, doch konnten an zwei Exemplaren verheilte Panzerbrüche
nachgewiesen werden, die den Tieren vermutlich durch Menschen beigebracht
worden waren; zwei weitere, vermutlich absichtlich erschlagene Schildkröten,
wurden ein paar hundert Meter außerhalb des Dorfes gefunden. Außerdem
fangen die Angehörigen des einheimischen Vezo-Stammes regelmäßig
junge Spinnenschildkröten, um sie den Touristen als „Souvenir“ anzubieten;
für jedes exportierte Exemplar erhob Madagaskar noch in den 80er Jahren
eine Ausfuhrsteuer in Höhe von 5.000 FMG.
Das
Absammeln der Tiere für den nationalen und internationalen Tierhandel
wird immer mehr zum Problem; in den USA z. B. werden mittlerweile für
erwachsene Tiere Preise von bis zu 2.000 $ bezahlt. Das Land führte
zuvor von 1989 bis Mitte 1994 gerade einmal ein Exemplar im Handelswert
von 100 US-$ ein. Spinnenschildkröten werden bereits im Internet zum
Kauf angeboten. Am 21.1.1991 wurden am Münchner Flughafen Riem im
Reisegepäck eines über Zürich aus Madagaskar heimkehrenden
deutschen Touristen zwischen der Schmutzwäsche mehrere madagassische
Schlangen entdeckt und beschlagnahmt. Im Laufe der sofort anlaufenden Ermittlungen
der Zollfahndung wurden nach Hinweisen auf einen professionell agierenden
Schmugglerring bei Hausdurchsuchungen unter anderem vier Pyxis arachnoides
gefunden. Die Tiere waren unmittelbar zuvor illegal über Zürich
nach München eingeführt worden. Nach Überwindung aller behördlichen
Hürden gelang es dem WWF-Deutschland mit Unterstützung der Air
Madagascar, die Schildkröten nach Madagaskar rückzuführen.
Bis zum Rücktransport am 23.3.1991 wurden die Tiere in vorbildlicher
Weise in der Zoologischen Staatssammlung München gepflegt und medizinisch
versorgt. Noch im April 1991 wurden die Schildkröten von Mitarbeitern
des WWF-Madagaskar in den Trockenwäldern des Südens ausgesetzt.
Im Mai 1999 wurden 450 Schildkröten am französischen Flughafen
Roissy beschlagnahmt, darunter 330 Spinnenschildkröten aller Altersklassen.
Einige der Schildkröten waren bereits bei ihrem Eintreffen am Flughafen
tot oder lagen im Sterben. Die überlebenden Tiere befanden sich in
einem schlechten Zustand und waren stark ausgetrocknet. 318 Exemplare wurden
in die Obhut der Schildkrötenschutzorganisation A Cupulatta auf Korsika
übergeben. Hier werden die Schildkröten mühsam wieder aufgepäppelt.
Am 5.8.1999 wurde nach fünfjähriger Fahndung der Tierhändler
TOMMY EDWARDS CRUTCHFIELD auf dem Flughafen von Miami verhaftet; er ist
eine der Hauptfiguren im illegalen Reptilienhandel zwischen Madagaskar
und Deutschland, Kanada sowie den USA.
In
manchen Städten, so etwa im Hafen von Toliara, spielt Pyxis arachnoides
auch eine gewisse Rolle im Tauschhandel, doch scheint die Art nur sehr
selten verzehrt zu werden. Die Gewöhnliche Spinnenschildkröte
wird hin und wieder von Waldarbeitern über offenem Feuer gebraten
und gegessen („Zakafy“ = „Mahlzeit“), bisher aber nicht in einem Umfang,
der bedrohlich für die Bestände gewesen wäre. In der Umgebung
von Morombe spielt Pyxis arachnoides brygooi nach der lokalen Ausrottung
der Strahlenschildkröte (Astrochelys radiata) in neuerer Zeit
jedoch offenbar eine große Rolle in der menschlichen Ernährung;
es besteht die Gefahr, dass sich dies auch auf andere Gebiete, in denen
die Strahlenschildkröte seltener wird, ausweiten wird. So ist es bereits
in Toliara und Faradofay problemlos möglich, Spinnenschildkröten
als Festmahlzeit zu erwerben. Die Tiere werden auf Märkten, in Hotels
und an Tankstellen zu Preisen von umgerechnet etwa 60 Pfennigen bis 8.-
DM angeboten.
Schutzmaßnahmen
Die
Art steht in Anhang II des Washingtoner Artenschutzübereinkommens
und Anhang B der Verordnung Nr. 338/97 der Europäischen Union und
fällt daher unter das Bundesnaturschutzgesetz und die Bundesartenschutzverordnung.
Für den deutschen Halter bedeutet dies: Der Besitz, der Kauf und die
kommerzielle Vermarktung von Gewöhnlichen Spinnenschildkröten
sind grundsätzlich verboten. Eine Ausnahme hiervon ist nur unter bestimmten
Voraussetzungen, hauptsächlich für in der EU gezüchtete
oder rechtmäßig aus Drittländern in die EU gelangte Exemplare,
möglich. Gewöhnliche Spinnenschildkröten dürfen nur
nach vorheriger Erteilung einer Einfuhrgenehmigung durch das Bundesamt
für Naturschutz in Bonn importiert werden. Wildfänge und Nachzuchten
dürfen mit den entsprechenden Dokumenten importiert werden, soweit
keine wissenschaftlichen Gründe (Bestandssituation, Haltungsbedingungen
u. a.) dagegen sprechen. Die Einfuhrgenehmigung ist an die entsprechenden
Ausfuhrdokumente des Exportstaates (CITES-Bescheinigung) gebunden. Die
Einfuhrgenehmigung und die Dokumente des Herkunftslandes sind der zuständigen
Zollstelle bei der Abfertigung vorzulegen. Durch EU-Verordnung Nr. 1968/99
ist die Einfuhr sowohl lebender als auch toter Wildfänge in die Mitgliedsländer
der Union inzwischen völlig untersagt. Die Haltung ist nach der Bundesartenschutzverordnung
nur sachkundigen Personen erlaubt, die eine den Ansprüchen der Tiere
entsprechende Unterbringung gewährleisten können. Die Schildkröten
müssen zudem bei den nach Landesrecht zuständigen Behörden
gemeldet (und gegebenenfalls abgemeldet) werden.
Für
die Beförderung und Vermarktung von Gewöhnlichen Spinnenschildkröten
innerhalb der EU ist eine CITES-Bescheinigung nicht vorgeschrieben; der
Besitzer kann eine solche Schildkröte abgeben, wenn der Empfänger
über die entsprechende Sachkunde verfügt. Damit der rechtmäßige
Erwerb nachgewiesen werden kann, muss der neue Besitzer über entsprechende
Belege verfügen. Auf jeden Fall sollte die Herkunft des betreffenden
Tieres oder, soweit für die Schildkröte ein CITES-Dokument ausgestellt
wurde, ein Bezug zu diesem im Kaufvertrag festgehalten bzw. vom bisherigen
Besitzer in einer schriftlichen Erklärung bestätigt werden.
Für
die Ausfuhr aus der EU ist ein CITES-Dokument als Legalitätsnachweis
für den rechtmäßigen Erwerb erforderlich; dem Zoll sind
dann außerdem eine Ausfuhrgenehmigung oder eine Wiederausfuhrbescheinigung
(zu erteilen durch das Bundesamt für Naturschutz) vorzulegen. Grundsätzlich
ist eine tierschutzgerechte Versendungsform zu gewährleisten.
Die
für die Land- und Süßwasserschildkröten zuständige
Spezialistengruppe der IUCN führt die Gewöhnliche Spinnenschildkröte
in Kategorie 3 ihres Aktionsplans. Die Wissenschaftler gehen davon aus,
dass Pyxis arachnoides zumindest in Teilen ihres Verbreitungsgebietes
gefährdet ist, doch fehlen zur Untermauerung dieser These und zur
damit verbundenen Einstufung in eine höhere Kategorie des Aktionsplanes
noch die notwendigen Daten.
In
Madagaskar selbst sind Ausfuhr und Verzehr der Art inzwischen ebenso wie
eine extensive Brandrodung offiziell verboten; die Haltung der Schildkröten
innerhalb des Landes ist nur mit behördlicher Genehmigung erlaubt.
Einen gewissen Schutz erfährt Pyxis arachnoides auch durch
die Unfruchtbarkeit, Niederschlagsarmut, Rauheit und Unwirtlichkeit ihres
sehr trockenen Lebensraumes, da hier die menschliche Bevölkerungsdichte
relativ niedrig ist. Außerdem gibt es auch Vorkommen der Gewöhnlichen
Spinnenschildkröte im Naturreservat um den Tsimanampetsotsa-See. Wünschenswert
wären weitere Feldstudien zu Biologie, Verbreitung und Gefährdung
der Gewöhnlichen Spinnenschildkröte. Als weitere Schutzmaßnahme
sollte die Unterschutzstellung größerer Teile des Artareals
in Erwägung gezogen werden.
SOPTOM,
die bekannte französische Schildkrötenschutzorganisation, die
bereits verschiedene Projekte in Frankreich und Senegal betreibt, plant
für die Zukunft die Einrichtung einer Schildkrötenzuchtstation
in der Umgebung von Toliara, praktisch als Gegenstück zur Forschungsstation
in Ampijoroa, die sich der Erforschung, dem Schutz und der Zucht der Madagassischen
Schnabelbrustschildkröte (Astrochelys yniphora) und Flachrücken-Spinnenschildkröte
(Pyxis planicauda) (zukünftig auch der Madagassischen Schienenschildkröte,
Erymnochelys madagascariensis) verschrieben hat. Die Station in Toliara
soll sich vor allem dem Wohl der Gewöhnlichen Spinnenschildkröte
und der im gleichen Gebiet vorkommenden Strahlenschildkröte (Astrochelys
radiata) widmen. Dieses „Schildkrötendorf“ hätte folgende
Aufgaben:
Kulturgeschichte
Pyxis
arachnoides ist auf einer madagassischen Briefmarke neben einem Exemplar
der Strahlenschildkröte (Astrochelys radiata) abgebildet. Namentlich
bezeichnet ist allerdings nur letztere Art; OBST äußerte daher
die Vermutung, der Zeichner habe die kleine Spinnenschildkröte irrtümlich
als „Kind“ der größeren Strahlenschildkröte angesehen oder
aber einfach eine Textzeile vergessen. Informationen zu diesem Thema finden
sich auf folgender Homepage: http://www.cse.psu.edu/~riemer/turtstamp/
Haltung
War
Pyxis arachnoides bisher in menschlicher Obhut ein eher seltener
Gast, so nimmt die Zahl der von Privathaltern in Europa und den USA gepflegten
Tiere in den letzten Jahren immer mehr zu. Die relativ langen Ruhezeiten,
die die Art in der Natur einlegen, machen es recht schwierig, den Ansprüchen
der Tiere unter Terrarienbedingungen gerecht zu werden. Die Anzahl der
Haltungs- und erst recht Nachzuchterfolge nimmt sich daher bislang auch
mehr als bescheiden aus. Die „dankbarste“ Unterart ist noch Pyxis arachnoides
brygooi, da sie länger aktiv ist als die anderen beiden Unterarten.
Die Haltungsrichtlinien des Bundeslandwirtschaftsministeriums stufen Pyxis
arachnoides als eine nur für Spezialisten geeignete Schildkrötenart
ein.
Die
Bodenfläche des Terrariums kann mit Lehm modelliert und so eine kleine
Landschaft mit Mulden und Hügeln geformt werden. Unabdingbar für
eine artgerechte Haltung ist jedoch eine hohe Schicht (10-20 cm) lockeren
Bodengrundes, in die sich die Tiere bei Bedarf völlig eingraben können.
Der Bodengrund sollte daher über der „Lehmlandschaft“ aus einer hohen
Schicht nicht zu groben Sandes und Kieses oder eines Gemisches aus Sand,
Lehm, Lauberde, Buchenlaub und/oder Torfmoos bestehen, auf die man zusätzlich
noch einige lose Rindenstücke und mehrere grobe Steine legt. Die Tiefe
des potentiellen Eiablageplatzes sollte mindestens der halben Körperlänge
des größten Weibchens entsprechen, das Substrat muss hier immer
leicht feucht gehalten werden. Die Schildkröten benötigen hohe
Tagestemperaturen (23-30 °C, unter dem Strahler lokal bis zu 45 °C)
bei einer deutlichen nächtlichen Absenkung auf etwa 20 °C. Spotstrahler
sorgen für die notwendige Strahlungswärme, eine Leuchtstofflampe
für die Gesamthelligkeit. Eine Kalksteinplatte dient als Sonnenplatz.
Durch eine zusätzliche Bodenheizung wird lokal eine sehr hohe Bodentemperatur
von etwa 35-40 °C, unter dem Strahler lokal bis zu 45 °C, erreicht.
Kühlere, schattigere Zonen im Behälter werden von den Tieren
gerne aufgesucht; BASILES Exemplare hielten sich überwiegend dort
auf. Das Einbringen eines kleinen, flachen Wassergefäßes ist
möglich, bei ausreichendem Angebot frischen Grünfutters aber
nicht unbedingt notwendig. Als Unterschlupf dienen künstliche „Höhlen“,
die aus Holz gezimmert oder aus Steinaufbauten gefertigt werden; hierher
ziehen sich die Tiere gerne zurück, zudem reizen Steinaufbauten zum
Klettern.
HÖNIGSBERGER
verwendet als Bodengrund in einem Drittel des Zimmerterrariums eine Sand-Lehm-Humus-Gemisch;
dieser Teil des Terrariums ist u. a. mit Madagaskarpalmen und Kakteen bepflanzt
und wird durch das Gießen der Pflanzen ständig feucht gehalten.
Im restlichen Terrarium wird ein Sand-Lehm-Gemisch verwendet, wobei sich
im mittleren Drittel eine Bodenheizung befindet, die eine Temperatur von
lokal 40 °C erzeugt. Im trockenen Teil des Terrariums befindet sich
außerdem noch ein Schutzhaus, in dem immer frisches Heu zur Verfügung
steht. Schließlich befinden sich noch einige Wurzeln und eine Trockendistel
als Sichtschutz bzw. Dekoration im Terrarium. Als Beleuchtung verwendet
HÖNIGSBERGER vier 58-W-Daylight-Leuchtstoffröhren der Firma
Osram, die täglich zwölf Stunden brennen. Der feuchte Teil des
Terrariums wird täglich zusätzlich zehn Stunden lang mit einem
70-W-HQI-Strahler beleuchtet. Im mittleren Drittel über der Bodenheizung
befindet sich ebenfalls ein solcher Strahler, der ebenso zehn Stunden brennt;
drei Stunden täglich wird außerdem ein 300-W-UltraVitaLux-Strahler
zugeschaltet.
Die
Haltungsrichtlinien des Bundeslandwirtschaftsministeriums sehen für
die gemeinsame Haltung von bis zu zwei Exemplaren als Mindestlänge
des Terrariums die vierfache Panzerlänge des größten Tieres
vor; die Terrarienbreite sollte ca. die Hälfte der Terrarienlänge
betragen. Für die dritte und vierte im gleichen Behälter gepflegte
Spornschildkröte sollte mindestens 10 %, ab dem fünften Tier
20 % mehr Grundfläche zur Verfügung stehen. Da Spinnenschildkröten
in der Regel untereinander sehr verträglich sind, ist eine gruppenweise
Haltung möglich.
Eine
Freilandhaltung kann nur in den Sommermonaten empfohlen werden, die klimatisch
am ehesten der Regenzeit im natürlichen Lebensraum entsprechen. Die
Freianlage muss über Sonnenplätze, ein möglichst beheizbares
Schutzhaus und schattenspendende Gewächse verfügen. Da diese
kleinen Schildkröten eine sehr verborgene Lebensweise führen
und es unter Umständen schwierig sein kann, sie z. B. bei einem Temperatursturz
schnell aufzufinden, sollte die Anlage sehr übersichtlich und nicht
zu groß dimensioniert sein. HÖNIGSBERGER hält seine Tiere
je nach Witterung von Mai bis September in einer nach Südosten gelegenen,
ca. 10 m² großen Freianlage. Die Anlage liegt ab etwa 15 Uhr
im Schatten, doch hatte dies offenbar keine negativen Auswirkungen auf
die Schildkröten, die unter diesen Bedingungen hauptsächlich
morgens, nachmittags und abends aktiv sind. Auch kühlere Temperaturen
werden von HÖNIGSBERGERS Tieren problemlos vertragen; sie nehmen sogar
regelmäßig Nahrung auf. Die Freilandanlage verfügt über
ein teilweise mit einer Bodenheizung ausgestattetes, mit einem Gemisch
aus Heu und Stroh gefülltes Schutzhaus, das von den Tieren allerdings
selten aufgesucht wird, so dass HÖNIGSBERGER sie in kühlen Nächten
dorthin bringen muss. Der mit der Bodenheizung ausgestattete Teil der Schutzhütte
wird von den Tieren generell gemieden, doch lässt HÖNIGSBERGER
sie zwecks Erwärmung der Luft eingeschaltet.
Die
Tiere akzeptieren die übliche vegetarische „Landschildkrötenkost“,
nehmen aber immer nur relativ kleine Mengen auf einmal zu sich. Im Zoo
von Rotterdam und bei ZWARTEPOORTE werden die Tiere hauptsächlich
mit Endivien, Chicorée und Karotten ernährt, im Frühling
zusätzlich mit Äpfeln und Birnen, im Sommer auch mit Wildkräutern
wie Löwenzahn, Klee, Wegerich und Gräsern ernährt. HÖNIGSBERGER
füttert seine Tiere im Winter mit verschiedenen Blattsalaten, zweimal
monatlich mit aufgetautem Tiefkühl-Frischgemüse und zwei- bis
dreimal monatlich mit Ersatznahrung wie in Wasser eingeweichtem Chinchillafutter;
vom Frühjahr bis zum Herbst erhalten die Schildkröten ausschließlich
Gänseblümchen, Vogelmiere, Bärlauch, Disteln, Milchdisteln,
junge Brennesseln, Sauerampfer, Löwenzahn, Klee, Weidenblätter,
Opuntien und Mauerpfeffer. Außerdem werden ins Zimmerterrarium ständig
unterschiedlichste Sämereien wie Kresse, Klee, Gras und verschiedene
Getreidesorten eingebracht; so sind immer frische Keimlinge vorhanden,
die von den Schildkröten gerne gefressen werden. Ganzjährig stehen
den Tieren frisches Heu und geschabte Sepiaschale zur Verfügung; zwei-
bis dreimal pro Woche streut HÖNIGSBERGER Vitakalk® und Korvimin®
über das Futter. Andere Halter berichteten, Pyxis arachnoides
bevorzuge Früchte als Nahrung. BASILES Tiere fraßen überwiegend
in den Morgenstunden.
Die
von OBST gepflegten Tiere behielten ihren jährlichen Aktivitätsrhythmus
bei und vergruben sich von Dezember bis Mai zumeist im Sandboden und unterbrachen
ihre Ruhepause nur selten; sie fraßen nur zwei- bis dreimal monatlich.
Ab Mai waren die Schildkröten bereits frühmorgens aktiv und fraßen
und tranken täglich; Paarungen fanden von Juni bis August statt. OBSTS
Spinnenschildkröten erwiesen sich als sehr ortstreu und behielten
ihre Versteck- und Schlafplätze über Monate bei. BASILES Exemplare
tranken dagegen äußerst selten und vergruben sich, obwohl Sandboden
vorhanden war, nie. Das regelmäßige Übersprühen des
Bodengrundes mit Wasser schien den Schildkröten aber angenehm zu sein
und erhöhte ihre Aktivität. HÖNIGSBERGERS Tiere baden sogar
regelmäßig in dem ihnen stets zur Verfügung stehenden Wasserbecken.
Die
Nachzucht dieser Art gelang in Privatterrarien und Zoos lange Zeit nicht.
Mittlerweile liegen einige Berichte über diesbezügliche Erfolge
vor, doch stellt dies immer noch eine Ausnahme dar. Die letzte umfassende
Übersicht über die in Zoos gehaltenen Pyxis arachnoides
stammt aus dem Jahre 1986; damals wurden in sieben Einrichtungen 13 Tiere
gepflegt, wobei nur der Zoo von Leipzig Exemplare beider Geschlechter besaß.
Ende der 70er Jahre fanden bei den beiden Pärchen im Zoo von Knoxville
(Tennessee, USA) Eiablagen statt, doch erwiesen sich alle Eier als unbefruchtet;
bis 1984 hatten nur die beiden männlichen Exemplare in Knoxville überlebt.
Im Londoner Zoo konnte die Art dagegen bereits nachgezüchtet werden.
In Madagaskar werden einige Tiere im privaten Berenty-Reservat bei Faradofay
gehalten.
HÖNIGSBERGERS
Tiere paaren sich sporadisch das ganze Jahr über, hauptsächlich
jedoch nach dem Umsetzen vom Freiland ins Zimmerterrarium. HÖNIGSBERGER
überbraust ab November das Zimmerterrarium täglich mit einer
Gießkanne und ahmt so die Regenzeit nach; tagsüber hält
er die Lufttemperatur auf 30, nachts bei 24 °C. Die Männchen beginnen
meist direkt nach Einsetzen dieser „Niederschläge“ mit der Paarung;
gleiches konnten auch MANFRED SCHMALZ und HENK ZWARTEPOORTE beobachten,
denen ebenfalls die Nachzucht von Pyxis arachnoides gelang. Die
Eiablagen erfolgen dann von Dezember bis März zwischen 16 und 19 Uhr
und dauern vom Beginn des Grabens bis zum Zuscharren der Eigrube etwa drei
Stunden. Zu 70 % werden Eigruben im Wurzelbereich einer Pflanze in der
Übergangszone zwischen feuchter und trockener Zone gegraben; hier
herrscht eine Bodentemperatur von etwa 25 °C. Laut HÖNIGSBERGER
kann man eine bevorstehende Eiablage gut an einer deutlichen Gewichtszunahme
des Weibchens feststellen. Wenn man die Tiere also regelmäßig
wiegt, besteht nicht die Gefahr, dass einmal eine Eiablage übersehen
wird; man ist dann nicht gezwungen, zur Kontrolle immer wieder den Bodengrund
des Terrariums zu durchwühlen. HÖNIGSBERGER inkubiert die Eier
bei 29-31 °C auf feuchtem Vermiculite oder feuchtem Sand in einem Brutapparat
der Firma Jäger. Ein Jungtier schlüpfte nach 279 Tagen, nachdem
HÖNIGSBERGER das Brutsubstrat mit Wasser befeuchtet hatte.
Regelmäßig
gelingt die Nachzucht der Unterart Pyxis arachnoides brygooi mittlerweile
auch im Zoo von Rotterdam und im privaten Terrarium des Reptilienpflegers
des Zoos, HENK ZWARTEPOORTE. Im Jahre 1992 erhielt der Zoo fünf beschlagnahmte
Spinnenschildkröten, drei Exemplare der Nominatform und ein brygooi-Pärchen.
Die beiden Unterarten wurden, um eventuelle Bastardisierungen zu vermeiden,
getrennt untergebracht, und aus Platzgründen entschied man sich 1995
dafür, sich im Zoo auf die Nominatform zu konzentrieren und die beiden
brygooi bei ZWARTEPOORTE privat unterzubringen. Im Jahre 1997 schließlich
erhielt ZWARTEPOORTE ein weiteres Weibchen von brygooi hinzu, der Zoo konnte
jeweils drei zusätzliche Männchen und Weibchen der Nominatform
erwerben. Sowohl im Zoo als auch bei ZWARTEPOORTE werden die Klimabedingungen,
die die Art aus ihrem Verbreitungsgebiet gewöhnt ist, künstlich
nachgeahmt. Während des europäischen Sommers beträgt die
Tageslänge im Terrarium nur neun Stunden (im Zoo von 8-17, bei ZWARTEPOORTE
von 13-22 Uhr; im letzteren Falle sind die Schildkröten ohne Tageslicht
im Keller untergebracht). Beide Anlagen werden von 33-W-Leuchtstoffröhren
beleuchtet, zusätzliches UV-Licht wird nicht angeboten. Von November
bis April wird die Regenzeit simuliert, wobei die Behälter von Dezember
bis Februar dreimal, im November und März nur einmal wöchentlich
mit Wasser übersprüht werden. Den Rest des Jahres bleiben die
Terrarien trocken. Während im Zoo ganzjährig gefüttert wird,
legt ZWARTEPOORTE im Winter bei seinen Tieren eine zweimonatige „Fastenzeit“
ein.
Beide
Unterarten legten bereits von Juli bis Oktober und von Dezember bis
Februar Eier ab, aber bis heute gelang die Nachzucht nur bei brygooi, wobei
das erste Jungtier 1994 im Zoo nach 178 Tagen schlüpfte, zwei weitere
1996 bei ZWARTEPOORTE nach 208 bzw. 270 Tagen. Der Transport des ersten
brygooi-Zuchtpaares vom Zoo in die Privatanlage ZWARTEPOORTES führte
dazu, dass während einer zweijährigen Eingewöhnungszeit
keine Eiablagen stattfanden. Die Weibchen setzten sowohl im Zoo als auch
bei ZWARTEPOORTE jährlich ein einziges Ei ab, welches bei 30 °C
auf leicht feuchtem, sehr grobem Vermiculite inkubiert wurde. Die Inkubation
erfolgte in den ersten vier Monaten bei 30 °C, danach für sechs
Wochen bei 26-27 °C, anschließend bei 31 °C. Nach sieben
Monaten der Inkubation wurden die Eier mit Wasser besprüht, was unverzüglich
den Schlupf der Jungtiere einleitet; ohne Anfeuchten erfolgte der Schlupf
nach etwa neun Monaten (bei anderen Haltern sogar erst nach 400-420 Tagen).
Die Aufzucht der kleinen Spinnenschildkröten gestaltet sich nicht
besonders schwierig.
Laut
HÖNIGSBERGER sind Jungtiere von Pyxis arachnoides sehr empfindlich
und müssen unbedingt getrennt von den Alttieren gehalten werden, da
sie ansonsten ihre Versteckplätze fast nicht mehr verlassen. Die kleinen
Spinnenschildkröten erhalten das gleiche Futter wie ihre älteren
Artgenossen, jedoch natürlich in fein zerkleinerter Form.
Literatur
Biologie und Gefährdung