FLACHRÜCKEN-SPINNENSCHILDKRÖTE
PYXIS PLANICAUDA (GRANDIDIER, 1867)

Holger Vetter



Originalbeschreibung
Liste des reptiles nouveaux découverts, en 1866, sur la côte sud-ouest de Madagascar.- Revue et Magasin de Zoologie Pure et Appliquée, Paris, Ser. 2, 19: S. 233

Originalname
Testudo planicauda GRANDIDIER, 1867

Holotypus
Nummer 9373 im Muséum National d’Histoire Naturelle in Paris, Frankreich

Terra typica
Mouroundava (= Morondava, Provinz Toliara, Madagaskar)

Terra typica restricta (BOUR, 1981)
Morondava, province de Tuléar, Madagascar (pourrait être restrainte a la forêt d’Andranomena) (= Wald von Andranomena bei Morondava, Provinz Toliara, Madagaskar)

Etymologie
planicauda = (lat.) flachschwänzig; bezieht sich auf den abgeflachten Schwanz dieser Art

Systematik
Die 1972 von VUILLEMIN aus Morondava beschriebene Testudo morondavaensis, deren Typusexemplar etwas höckerige Wirbelschilder besitzt, ist nach einhelliger Auffassung aller Fachleute ein Synonym von Pyxis planicauda.

Trivialnamen
Deutsch: auch Madagassische Flachrückenschildkröte, Flachrückenschildkröte
Englisch: Madagascar flat-shelled spider tortoise (= Madagassische Flachpanzer-Spinnen-Landschildkröte), Madagascar flat-shelled tortoise (= Madagassische Flachpanzer-Landschildkröte), Flat-shelled spider tortoise (= Flachpanzer-Spinnen-Landschildkröte), Flat-tailed tortoise (= Flachschwänzige Landschildkröte), Flat-backed spider tortoise (= Flachrückige Spinnen-Landschildkröte), Madagascar flat-backed tortoise (= Madagassische Flachrücken-Landschildkröte), Malagasy flat-tailed tortoise (= Madagassische Flachschwanz-Landschildkröte), Madagascar flat-tailed tortoise (= Madagassische Flachschwanz-Landschildkröte), Madagascan flat-tailed tortoise (= Madagassische Flachschwanz-Landschildkröte)
Französisch: Tortue à queue plate (= Plattschwanzschildkröte). Pyxide à dos plat (= Plattrücken-Pyxis)
Italienisch: Acinisside
Madagaskar: Kapidolo
Niederländisch: Madacascar platrugschildpad (= Madagaskar-Plattrückenschildkröte)
Spanisch: Tortuga de cola plana (= Flachschwanzschildkröte)

Beschreibung
Rückenpanzer länglichoval, oberseits etwas abgeflacht, mit steil abfallenden, fast parallel verlaufenden Seiten. Kleine Einkerbung in der Nackenregion. Hintere Randschilder abwärts gebogen. Nackenschild kurz und breit, nicht immer vorhanden. Wirbelschilder breiter als lang, Areolen etwas erhaben und von stark ausgeprägten Wachstumsringen umrahmt. Knöcherne Wirbelplatten sechseckig oder quadratisch, nie achteckig; zwei Steißplatten vorhanden. Naht zwischen knöchernen Rippen- und Randplatten liegt über Naht zwischen Rippen- und Randschildern. Auf jeder Seite elf Randschilder, Schwanzschild ungeteilt. Areolen der Wirbel- und Rippenschilder gelblich bis hell- oder manchmal rotbraun, mit breitem dunkelbraunem bis schwarzem Rand, der bei älteren Tieren seinerseits wiederum gelb oder hellbraun gerahmt sein kann. Von den Areolen ziehen gelbliche bis hellbraune Linien strahlenförmig zu den Schildrändern; auf den Wirbelschildern sind es meist 4-9, auf den Rippenschildern 2-4 Strahlen. Randschilder dunkel, mit einem gelben oder hellbraunen Streifen. Manche Tiere zeigen im Erwachsenenalter dagegen einen einfarbig grauen Rückenpanzer.
Gut entwickelter Bauchpanzer ohne Scharnier; bei erwachsenen Weibchen oft leichte Beweglichkeit an den Nähten zwischen Schenkel- und Afterschildern (d. h. vor und zwischen den knöchernen Xiphiplastralplatten), was die Ablage der relativ großen Eier ermöglicht. Vorderlappen länger und schmaler als Hinterlappen, läuft nach vorne hin spitz zu. Hinterlappen kurz und breit, keine Einkerbung zwischen den Afterschildern. Afterschilder hinten leicht abgerundet. Kehlschilder paarig ausgebildet und verdickt, stehen vorne etwas über Vorderrand des Rückenpanzers hinaus; tiefe Einkerbung zwischen den Kehlschildern. Auf jeder der breiten Brücken 1-2 kleine Achsel- und 1-2 größere Hüftschilder. Knöcherne Achsel- und Hüftstreben des Bauchpanzers kurz und kräftig. Bauchpanzer gelblich, an den Seiten, vor allem entlang der Bauchschilder, mit einigen dunklen Tupfen oder Strahlenzeichnungen.
Kopf mittelgroß, Schnauze nicht hervorspringend, Oberkiefer mit leichtem Hakenschnabel. Oberkieferknochen mit schwacher mittelständiger Kauleiste; Kieferränder ungesägt. Quadratbein umschließt den Steigbügel. Öffnungen im vorderen Bereich des Palatinumknochens klein. Kopf überwiegend dunkelbraun oder schwarz gefärbt, mit gelben Zeichnungselementen variabler Zahl und Form. Oberkiefer hell gefärbt.
Beine keulenförmig, Vorderfüße mit fünf Krallen. Vorderseite der Vorderbeine mit großen gelben, einander nicht überlappenden Schuppen in 7-9 Längsreihen bedeckt. Spornartige Schuppen auf den Fersen der Hinterfüße, auf den Oberschenkeln mehrere kleine stumpfe Hornkegel. Vorderseite der Vorderbeine mit einer Längsreihe großer, einander nicht überlappender Schuppen bedeckt. Schwanz deutlich abgeflacht, Schwanzspitze mit großem Hornnagel versehen. Beine und Schwanz hellbraun, Schuppen auf den Beinen gelb.

Größe
Die Flachrücken-Spinnenschildkröte erreicht eine Rückenpanzerlänge von bis zu etwa 13,7 cm und ein Gewicht von bis zu ca. 429 g.

Geschlechtsunterschiede
Männliche Pyxis planicauda erreichen eine Rückenpanzerlänge von bis zu etwa 13 cm und eine Panzerbreite von bis zu ca. 9 cm. Weibchen dagegen werden bis zu etwa 13,7 cm lang und 10 cm breit. Während weibliche Tiere ein Gewicht von bis zu etwa 420 g erreichen, werden ihre männlichen Artgenossen nicht schwerer als 330 g.
Männliche Exemplare besitzen einen längeren, dickeren Schwanz als ihre weiblichen Artgenossen. Der Analspalt liegt bei Männchen fast an der Schwanzspitze. Der Bauchpanzer männlicher Tiere ist leicht konkav eingedellt. Laut KUCHLING sind die Geschlechter ab einem Alter von 10-12 Jahren unterscheidbar.

Verbreitung
Die Flachrücken-Spinnenschildkröte bewohnt ein sehr kleines Areal an der Westküste Madagaskars. Es handelt sich dabei um die Region zwischen den Flüssen Morondava und Tsiribihina. Hier fand man die Art bisher an folgenden Orten:

Nach Angaben Einheimischer soll die Art auch in Restwaldgebieten in bis zu etwa 22 km östlich der Stadt Morondava vorkommen, doch konnte dies bisher noch nicht bestätigt werden. Die Einwohner der Dörfer Ankaraobato und Bevoay 8 bzw. 16 km östlich von Marofandilia kennen diese Landschildkrötenart, doch fehlen auch hier bisher definitive Nachweise. Zwar brachten einige Einwohner Marofandilias mehrere Exemplare zu BLOXAM, der sich 1992 in der Region aufhielt, doch konnten sie leider nicht mehr den genauen Fundort nennen und nur sagen, dass sie die Tiere östlich des Dorfes gefangen hatten. Die Verbreitungsgrenzen in den Wäldern des Tieflandes östlich der Straße zwischen Morondava und Tsimafana ist ebenfalls noch nicht bekannt. Nördlich des Tsiribihina-Flusses und südlich des Morondava-Flusses existieren noch einige wenige kleine Wälder, die den Habitatansprüchen von Pyxis planicauda entsprechen würden, doch fanden dort bisher kaum Feldstudien statt, so dass ein Vorkommen dieser Art dort bisher noch nicht festgestellt werden konnte. Erschwert wird die Suche nach den Tieren dadurch, dass die Einheimischen oft mit Fotos nichts anzufangen wissen und nach Angaben von BLOXAM die abgebildeten Tiere dann keiner bestimmten Art zuordnen können. Wie groß das Artareal und die Populationen der Art vor den ausgedehnten Waldrodungen waren, lässt sich heute nicht mehr nachvollziehen.

Unterarten
Von Pyxis planicauda sind bisher keine Unterarten bekannt.

Lebensraum
Die Art kommt ausschließlich in kleinen, isolierten, trockenen, laubabwerfenden Laubwald- und Buschregionen des Küstentieflandes in Höhen unter 100 m vor. Diese Gebiete sind nicht ganz so trocken wie die von der nahe verwandten Pyxis arachnoides besiedelten Region. Die Wälder weisen einen hohen Bestand an großen, 12-15 m hohen Bäumen und eine dichte, vier bis acht Meter hohe Unterholzschicht auf. Dominierende Baumarten sind die Affenbrotbäume der Gattung Adansonia und Bäume der Gattung Commiphora, die eine Höhe von über 25 m erreichen können. Bedingt durch den dichten Baumbestand, der kaum Sonnenlicht durchlässt, ist der Pflanzenbewuchs im Bodenbereich nur äußerst spärlich. Die Schildkröten führen hier im feuchten Mikroklima des ganzjährig vorhandenen  Falllaubes eine sehr verborgene Lebensweise. Sie meiden offenbar die unmittelbare Nähe von Flüssen oder Teichen, wobei letztere in den Wäldern relativ häufig sind; Fließgewässer bilden sich nur auf dem Höhepunkt der Regenzeit.
Das Klima im Verbreitungsgebiet von Pyxis planicauda ist semiarid und tropisch heiß. Die Durchschnittstemperaturen liegen im Lebensraum der Flachrücken-Spinnenschildkröte in der Umgebung der Stadt Morondava nach Angaben GERALD KUCHLINGS bei folgenden Werten:

Der Temperatur-Jahresmittelwert beträgt 24,9 °C. Während der Trockenzeit sinkt die Temperatur teilweise auf bis zu 13 °C ab, im Januar können dagegen sogar 35-40 °C erreicht werden, bei einer Luftfeuchtigkeit von 80-90 %. Fast die gesamte jährliche Niederschlagsmenge (ca. 600-800 mm, durchschnittlich 780 mm) fällt während der ca. drei- bis fünfmonatigen Regenzeit von frühestens November bis längstens Mai, hauptsächlich jedoch im Februar. In den Heimatwäldern der Art bilden sich dann zahlreiche Pfützen, die die Tiere als Trink- und Badestellen nutzen.

Populationsdichte
GERALD KUCHLING konnte die Dichte der von ihm untersuchten Population nicht genau bestimmen; er fand trotz einwöchiger intensiver Suche in einem vorher festgelegten Quadratkilometer Wald nur zehn Tiere. Von den während seiner Studie insgesamt untersuchten Tieren waren 69 % geschlechtsreif, das Geschlechterverhältnis lag bei einem Männchen auf 0,7 Weibchen. BEHLER und seine Mitarbeiter fanden von Dezember 1992 bis Januar 1993 an den im Kapitel „Verbreitung“ genannten Orten insgesamt 60 Pyxis planicauda (19 Männchen, 18 Weibchen und 23 Jungtiere).

Jahresaktivität
Die recht kühle sieben- bis neunmonatige Trockenzeit von April bis November oder gar Januar, während der die meisten Bäume ihre Blätter abwerfen, verbringt die Flachrücken-Spinnenschildkröte vergraben in der relativ feuchten, kühlen, etwa 10 cm hohen Humusschicht des Waldbodens unter dem Falllaub oder unter vermoderndem Holz; so ist zu erklären, warum der Rückenpanzer älterer Exemplare oft mit Algen, Flechten und Pilzen überwachsen ist. Auch Jungtiere legen diese Ruhezeit bereits in ihrem ersten Lebensjahr ein, ohne stärker an Gewicht zu verlieren. Wenn in der Trockenzeit eines der sehr seltenen Gewitter niedergeht, verlassen die Tiere ihre Ruheplätze und wandern am Waldboden umher. Auch in der Regenzeit sind die Schildkröten während und nach stärkeren Regenfällen am aktivsten. Durch ihre kontrastreiche Färbung sind die Tiere auf dem Waldboden gut getarnt und oft nur schwer zu entdecken.

Tagesaktivität
Pyxis planicauda ist eine tagaktive Art; die Nächte verbringt sie im Waldboden vergraben. Von GERALD KUCHLING untersuchte im Falllaub vergrabene Exemplare hatten im Dezember eine Kloakentemperatur von 26-29,5 °C; am Morgen, wenn sie ihre Ruheplätze verließen, wiesen die Tiere eine Kloakentemperatur von 23-24 °C auf. Die von KUCHLING beobachteten Schildkröten blieben immer im Waldschatten verborgen und suchten nie das Sonnenlicht auf.

Fortpflanzung
Paarungen wurden von Januar bis Anfang März registriert. Ein in der Forststation von Ampijoroa gepflegtes Weibchen wurde Ende Januar 1995 gegen 16.45 Uhr bei der Eiablage beobachtet; während der ganzen Prozedur war es fast vollständig unter der dichten Laubdecke verborgen. Gegen 20 Uhr hatte das Tier die Eiablage beendet und die Nistgrube wieder verschlossen; erschöpft schlief es auf seinem Nest ein. Ein anderes Weibchen begann gegen 11 Uhr mit der Eiablage. Das Gelege umfasst nur ein einziges relativ großes Ei, das ca. 3,3-3,6 x 2,5-3,0 cm groß und etwa 15-20 g schwer ist. Pro Saison und Weibchen sind bis zu drei Gelege möglich.
Die Jungtiere schlüpfen nach einer Inkubationszeit von bis zu etwa 260 Tagen im November oder Dezember. Sie besitzen einen schokoladenbraunen Rückenpanzer mit vier cremeweißen Streifen und leicht gesägte Randschilder (vor allem vorne).

Ernährung
Pyxis planicauda ernährt sich offenbar hauptsächlich von Baumfrüchten, die aufgrund des artenreichen Waldes (über 200 Baumarten) fast immer zur Verfügung stehen, da die verschiedenen Früchte auch zu unterschiedlichen Zeitpunkten reifen und auf den Waldboden fallen. Daneben fressen die Tiere noch die jungen Triebe und Blätter niedriger Büsche. BEHLER vermutet Pilze und herabgefallene Baumblüten als regelmäßige Nahrung dieser Tiere; die in der Zuchtstation von Ampijoroa geschlüpften Jungtiere bevorzugten eindeutig Pilze.

Gefährdung
Pyxis planicauda wird von der IUCN (= Internationale Naturschutzunion)in die Gefährdungskategorie „Endangered“ (= „Gefährdet“) ihres Rotbuches gestellt. Die Flachrücken-Spinnenschildkröte ist demnach innerhalb der nächsten Jahre stark vom Aussterben bedroht. Bei dieser Art wurde innerhalb der letzten drei Generationen oder der letzten zehn Jahre (ausschlaggebend ist der längere Zeitraum) ein Rückgang um mindestens 50 % beobachtet. Diese Einschätzung basiert auf dem Schrumpfen des Verbreitungsgebietes und/oder dem Rückgang geeigneter Lebensräume und dem Ausmaß der Nutzung durch den Menschen. Das potentielle Verbreitungsgebiet umfasst eine Fläche von weniger als 5.000 km², und von den bekannten Populationen wird ein Areal von insgesamt weniger als 500 km² Ausdehnung besiedelt, wobei beide Schätzungen zufolge auch weiterhin schrumpfen; auch ein weiterer Verlust an Populationen und geeigneten Lebensräumen wird erwartet. Insgesamt ist das Verbreitungsgebiet der Art stark fragmentiert; möglicherweise existieren inzwischen höchstens noch fünf Populationen. Präzise Schätzungen der Populationsgröße fehlen bisher, daher lässt sich nicht exakt feststellen, wie es um die Art tatsächlich bestellt ist.
Die größte Bedrohung für das Überleben der Art ist wohl die fortschreitende Vernichtung ihres Lebensraumes in dem geburtsfreudigen Land Madagaskar; man geht davon aus, dass sich die menschliche Bevölkerung des Landes bis zum Jahre 2015 etwa verdoppeln wird. Der Umfang der Waldrodung zu land- und viehwirtschaftlichen Zwecken oder für die Suche nach Erdöl wurde im Westen Madagaskars wie im ganzen Land ungehemmt in riesigem Ausmaß betrieben. Der größte Teil der madagassischen Wälder wurde so bereits vernichtet. Im Verbreitungsgebiet der Art selbst werden z. T. noch immer Bäume gefällt, um sie dem Holzhandel oder einer Verwertung als Brennstoff zuzuführen.
Der Wald von Andranomena ist zum größten Teil von Kultur- und Agrarlandschaft, vor allem riesigen Maisfeldern, umgeben und existiert daher nicht mehr als das noch 1986 von ROGER BOUR beschriebene ökologisch intakte Waldsystem, obwohl das Gebiet offiziell als „Réserve speciale“ ausgewiesen ist; zudem fiel ein großer Teil des Waldes in den Jahren 1985 bis 1989 der Brandrodung zum Opfer. Unmittelbar östlich von Andranomena wurden 1987 in einem Sekundärwaldgebiet eine riesige Zuckerrohrplantage mit künstlichen Bewässerungsanlagen und eine Zuckerfabrik gebaut; beim Anlegen der Plantage in den Jahren 1985/86 kamen die letzten Schildkröten, die so lange im Sekundärwald ausharren konnten, unter die Planierraupen. Die Abwässer der Zuckerfabrik suchen ungeklärt ihren Weg durch die Waldreste zur Küstenmangrove. In der Region nördlich des Waldes von Amborompotsy haben US-amerikanische Erdölsucher ein Netz von Autopisten durch die letzten Wälder gezogen, an denen einheimische brandrodende Bauern entlangziehen.
Eine weitere Gefahr stellt vermutlich die in ganz Madagaskar stark zunehmende Zahl der vom Menschen hier eingeführten Larvenschweine (Potamochoerus larvatus) dar, da man davon ausgehen kann, dass diese Tiere auch die Gelege und Jungtiere von Pyxis planicauda nicht als Nahrung verschmähen. Von der einheimischen menschlichen Bevölkerung werden die Tiere kaum gegessen.
Der Fang der Tiere für den internationalen Tierhandel spielte bisher noch keine Rolle bei der Bedrohung der natürlichen Bestände; nach Angaben von BEHLER werden Schildkröten dieser Art aber bereits im Internet zum Kauf angeboten. Die USA führten von 1989 bis Mitte 1994 acht Exemplare im Gesamtwert von 120 US-$ ein.

Schutzmaßnahmen
Die Art steht in Anhang II des Washingtoner Artenschutzübereinkommens und Anhang A der Verordnung Nr. 338/97 der Europäischen Union, außerdem fällt sie unter EU-Verordnung Nr. 939/97, das Bundesnaturschutzgesetz und die Bundesartenschutzverordnung. Für den deutschen Halter bedeutet dies: Der Besitz, der Kauf und die kommerzielle Vermarktung von Flachrücken-Spinnenschildkröten sind grundsätzlich verboten. Eine Ausnahme hiervon ist nur unter bestimmten Voraussetzungen, hauptsächlich für in der EU gezüchtete oder rechtmäßig aus Drittländern in die EU gelangte Exemplare, möglich. Flachrücken-Spinnenschildkröten dürfen nur nach vorheriger Erteilung einer Einfuhrgenehmigung durch das Bundesamt für Naturschutz in Bonn importiert werden. Grundsätzlich dürfen Wildexemplare nicht für kommerzielle und private Zwecke importiert werden. Die Einfuhr gezüchteter Exemplare ist in bestimmten Fällen möglich. Die Einfuhrgenehmigung ist an die entsprechenden Ausfuhrdokumente des Exportstaates (CITES-Dokumente) gebunden. Die Einfuhrgenehmigung und die Dokumente des Herkunftslandes sind der zuständigen Zollstelle bei der Abfertigung vorzulegen. Die Haltung ist nach der Bundesartenschutzverordnung nur sachkundigen Personen erlaubt, die eine den Ansprüchen der Tiere entsprechende Unterbringung gewährleisten können. Die Schildkröten müssen zudem bei den nach Landesrecht zuständigen Behörden gemeldet (und gegebenenfalls abgemeldet) werden. Außerdem müssen äußerlich erkennbare, individuelle, unveränderliche Körpermerkmale dokumentiert werden (die genaue Methodik wird derzeit noch ausgearbeitet).
Die Vermarktung innerhalb der EU erfordert grundsätzlich eine Genehmigung der zuständigen Vollzugsbehörde (CITES-Bescheinigung).
Bei der Ausfuhr aus der EU sind dem Zoll eine Ausfuhrgenehmigung oder eine Wiederausfuhrbescheinigung (zu erteilen durch das Bundesamt für Naturschutz) vorzulegen; grundsätzlich muss eine tierschutzgerechte Versendungsform gewährleistet sein.
Die für die Land- und Süßwasserschildkröten zuständige Spezialistengruppe der IUCN führt die Flachrücken-Spinnenschildkröte aufgrund ihres sehr kleinen Verbreitungsgebietes in Kategorie 2 ihres Aktionsplans; Untersuchungen zur Gefährdung der noch existierenden Populationen hält sie für dringend notwendig.
In Madagaskar selbst sind Ausfuhr und Verzehr der Art inzwischen ebenso wie eine extensive Brandrodung verboten; die Haltung der Schildkröten innerhalb des Landes ist nur mit behördlicher Genehmigung erlaubt.
Der Wald von Andranomena befindet sich in Privatbesitz und gehört zumindest teilweise zum ebenfalls privaten Analabe-Reservat. Regierungseigentum ist dagegen der Wald von Amborompotsy; er wurde an die Schweizer Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit verpachtet, die das Centre de Formation Professionnelle Forestière de Morondava betreibt und sich die schonende und erhaltende Nutzung des Waldes zum Ziel gesetzt hat; zwar wird der Wald einer Holznutzung unterzogen, als intaktes Ökosystem aber nicht zerstört.
Im April 1988 wurden im Wald von Amborompotsy fünf (zwei ??, drei ??) Pyxis planicauda gefangen und zur Forststation von Ampijoroa verbracht, die heute für ihre überragenden Zuchterfolge bei der ebenfalls aus dem Westen Madagaskars stammenden und stark bedrohten Madagassischen Schnabelbrustschildkröte (Astrochelys yniphora) bekannt ist. Es wird angestrebt, durch den Aufbau von Zuchtgruppen auch bei Pyxis planicauda ähnliche Erfolge zu erzielen. Die in Ampijoroa untergebrachten Exemplare legten bis zum Einsetzen der Regenfälle im November 1988 erst einmal eine Ruhezeit ein, die nur zwei der Tiere kurzfristig während eines der seltenen Gewitter im Juli unterbrachen. Im November nahmen die Schildkröten schließlich ihre Aktivitäten auf, fraßen und paarten sich bis etwa Anfang Januar. Die Freianlage in Ampijoroa ist fast vollständig mit Falllaub bedeckt. Die meiste Zeit ihres kurzen, nur fünfmonatigen Aktivitätszeitraumes verbringen die Tiere unter der Laubschicht ruhend; nur morgens und während Regenfällen kommen sie zur Nahrungsaufnahme und zur Paarung an die Oberfläche. Während der ersten Jahre der Haltung in Ampijoroa waren die Schildkröten sehr scheu und stellten bei der geringsten Störung sofort jegliche Aktivität ein. Die erste Eiablage wurde im Jahre 1990 registriert, doch war das Ei unbefruchtet. 1992 schlüpften schließlich im Januar bzw. Februar zwei Jungtiere in der Freianlage, ohne dass die Gelege zuvor vom Personal der Forststation entdeckt wurden. Im Januar der Jahre 1993 und 1995 schlüpfte jeweils ein weiteres Jungtier direkt im Gehege. Leider starb das jüngste Tier bereits im Alter von zwei bis drei Monaten im März 1995, ohne die geringsten Anzeichen einer Erkrankung oder Verletzung zu zeigen. Innerhalb der nächsten vier Wochen starben auch die anderen drei Jungtiere; nur eines davon zeigte einige Tage vor seinem Tode eine geschwollene Kloake. REID wollte die Möglichkeit, dass die Tiere an einer Pilzvergiftung starben, nicht völlig ausschließen, doch wies er darauf hin, dass Pilze die Hauptnahrung der Jungtiere darstellen und man deshalb davon ausgehen kann, dass die Tiere instinktiv wissen, welche Arten sie fressen können und welche nicht. In den Jahren 1995 bis 1997 schlüpften nochmals insgesamt zehn Jungtiere (1995: zwei; 1996: zwei; 1997: sechs).
Der bereits bestehende Schutz für den restlichen Lebensraum der Art sollte auf jeden Fall verstärkt werden. Dringend erforderlich sind auch weitere Studien zur Biologie und Gefährdung von Pyxis planicauda. Als finanziellen Grundstock stellte die IUCN hierfür eine Summe von 25.000 US-$ zur Verfügung. Leider sind Exkursionen während der Regenzeit, der Hauptaktivitätszeit der Art, im Westen Madagaskars wegen der sintflutartigen Niederschläge, die Dörfer und Camps durch das Überfluten von Flüssen von der Außenwelt abschneiden und Feldwege unpassierbar machen, äußerst problematisch.

Kulturgeschichte
Die Flachrücken-Spinnenschildkröte ist auf Münzen und Briefmarken bisher noch nicht zu finden. Die einzige uns bekannte diesbezügliche Darstellung einer Pyxis planicauda betrifft eine Telefonkarte von der Insel Jersey, auf der GERALD DURRELL seinen berühmten Zoo gründete, der sich heute u. a. auch die Zucht dieser Schildkrötenart zum Ziel gesetzt hat. Auf der Telefonkarte ist das Ehepaar DURRELL gemeinsam mit fünf Praktikanten offenbar unterschiedlichster Herkunft zu sehen. Im Vordergrund „tummeln“ sich mehrere Tierarten, die an die unterschiedlichen Erhaltungszuchtprogramme erinnern, die von den DURRELLS ins Leben gerufen werden. Die „Reptilienabteilung“ wird dabei von einer Pyxis planicauda repräsentiert. Diese sehr begehrte Telefonkarte erzielt heute Preise von umgerechnet etwa 17.- DM.

Haltung
Aufgrund der Seltenheit von Pyxis planicauda wird der normalsterbliche Schildkrötenliebhaber wohl kaum in die Verlegenheit kommen, sich den Kopf über eine artgerechte Unterbringung der Tiere zerbrechen zu müssen. Die Art sollte nur von sehr erfahrenen Haltern mit den notwendigen Kenntnissen und optimalen Haltungsmöglichkeiten gepflegt werden, wie auch den Haltungsrichtlinien des Bundeslandwirtschaftsministeriums zu entnehmen ist. Diese Haltungsrichtlinien sehen für die gemeinsame Haltung von bis zu zwei Exemplaren als Mindestlänge des Terrariums die vierfache Panzerlänge des größten Tieres vor; die Terrarienbreite sollte ca. die Hälfte der Terrarienlänge betragen. Für die dritte und vierte im gleichen Behälter gepflegte Flachrücken-Spinnenschildkröte sollte mindestens 10 %, ab dem fünften Tier 20 % mehr Grundfläche zur Verfügung stehen. Da Flachrücken-Spinnenschildkröten in der Regel untereinander sehr verträglich sind, ist eine gruppenweise Haltung möglich.
Ihrem Lebensraum entsprechend benötigt Pyxis planicauda ein geheiztes Terrarium mit einer hohen, leicht feuchten Schicht aus einem Gemisch aus Buchenlaub und Torfmoos und eine mehrmonatige Ruhephase mit einer etwas kühleren, trockeneren Haltung. Außerhalb der Trockenphase erhöht das tägliche leichte Überbrausen der Terrarieneinrichtung die Luftfeuchtigkeit. Als Bodensubstrat haben sich in den letzten Jahren auch Buchenhäcksel bewährt, da auch sie nicht durchnässen und schimmeln, aber dennoch in den unteren Schichten leicht feucht bleiben. Eine Bodenheizung und einige Spotstrahler sorgen tagsüber für die erforderlichen Temperaturen von ca. 26-30 °C (unter den Strahlern lokal bis zu 45 °C), eine Leuchtstofflampe für die Gesamthelligkeit. Wichtig ist, dass die Schildkröten die Möglichkeit haben, sich auch an schattigere, kühlere Stellen zurückzuziehen; man sollte daher nur etwa ein Drittel oder die Hälfte des Terrariums gut beleuchten und zusätzlich Kübelpflanzen aufstellen, die Schatten bieten. Nachts sollte die Temperatur auf etwa 20 °C, während der kühleren Ruheperiode sogar auf 13-15 °C absinken. Zur Einrichtung des Terrariums gehört auch ein flaches Wasserbecken.
Als Eiablageplatz kann eine in den Bodengrund eingelassene Wanne dienen, die mit einem lockeren Gemisch aus Erde, Sand und Torf gefüllt wird. Dabei sollte das Substrat von vorne nach hinten in seiner Höhe leicht ansteigen, damit die Weibchen Wahlmöglichkeiten haben. Ein Strahler wird so über bzw. eine Bodenheizung unter dem Eiablageplatz installiert, dass sich die Bodentemperatur zwischen 30 und 35 °C bewegt; in den Randbereichen finden die Weibchen die Temperaturen, die für die Wahl des Nistplatzes ausschlaggebend sind.
Der Betrieb solcher Zimmerterrarien mit hohem Feuchtigkeitsgrad ist nicht unproblematisch. Die elektrischen Anlagen und die Holzteile müssen sehr gut gegen die ständige Feuchtigkeit isoliert werden. Probleme bereitet auch eine ständig beschlagene Sichtscheibe; eine starke Belüftung verhindert zwar ein Beschlagen, senkt aber die Luftfeuchtigkeit. Am besten sorgt man für eine schwache Belüftung im unteren Bereich der Frontscheibe. Zu bedenken ist außerdem, dass in einem solche feuchten Milieu auch Krankheitserreger besonders gute Bedingungen vorfinden, weshalb Futterreste und Ausscheidungen täglich entfernt werden müssen.
MATZ, STEMMLER und VANDERHAEGE fütterten ihre Tiere mit Melonen, Tomaten, Birnen und Äpfeln; Kopfsalat wurde ebenso wie Klee, Löwenzahn, Gurken, Kohl und Hackfleisch verschmäht. Das Wachstum der in Ampijoroa geschlüpften Jungtiere verlief sehr langsam, bis das Personal der Zuchtstation feststellte, dass sie Pilze als Nahrung bevorzugen.
Eine Freilandhaltung kann nur in den Sommermonaten empfohlen werden, die klimatisch am ehesten der Regenzeit im natürlichen Lebensraum entsprechen. Die Freianlage muss über Sonnenplätze, ein möglichst beheizbares Schutzhaus und schattenspendende Gewächse verfügen. Außerdem müssen die Tiere die Möglichkeit haben, sich in eine Laubschicht einzuwühlen. Da diese kleinen Schildkröten eine sehr verborgene Lebensweise führen und es unter Umständen schwierig sein kann, sie z. B. bei einem Temperatursturz schnell aufzufinden, sollte die Anlage sehr übersichtlich und nicht zu groß dimensioniert sein; im Zweifel sollte bei Pyxis planicauda auf eine Freilandhaltung besser verzichtet werden.
Detaillierte Berichte über Haltungserfahrungen liegen bislang fast ausschließlich aus zoologischen Gärten vor. Auch diese Einrichtungen, die in der Regel über ganz andere technische und finanzielle Möglichkeiten verfügen als der durchschnittliche private Liebhaber, können bisher jedoch kaum Zuchterfolge nachweisen. Der Zoo von Knoxville (Tennessee, USA) z. B. erhielt zwar 1975 ein Paar dieser Art, doch pflanzten sich die Tiere nicht fort; nach dem relativ frühen Tode des Weibchens verstarb schließlich auch das Männchen im Jahre 1987. Auch im Zoo von San Diego (California) und in einem Tierpark im US-Bundesstaat Connecticut wurden Flachrücken-Spinnenschildkröten gehalten, doch ist über die dortigen Erfahrungen ebenso wie über die von JAMES JUVIK vom College in Hilo (Hawaii) gepflegten Exemplare anscheinend nichts bekannt.
Den einzigen kleinen Nachzucht„erfolg“ außerhalb Madagaskars kann bisher der Zoo von Jersey verzeichnen. Auch hier waren allerdings die ersten abgelegten Eier unbefruchtet, oder die Embryos starben aus unbekannten Gründen vor dem Schlupf ab. Am 20.8.1995 schlüpfte dann jedoch das erste Jungtier, das allerdings bereits 1997 bedauerlicherweise im Alter von 18 Monaten starb; es verlor während der Ruhezeit stark an Gewicht und musste nach vier Monaten „geweckt“ werden. Das Jungtier machte zuerst einen guten Eindruck und fraß auch, doch stellte es schließlich die Nahrungsaufnahme ein und starb kurz darauf. Auch eines der Zuchtweibchen war nach einer Bauchfellentzündung leider nicht mehr zu retten. Der Zoo hat nun zur möglichst naturnahen Imitation des heimatlichen Klimas in der Anlage der Flachrücken-Spinnenschildkröten eine Klimaanlage installiert, deren Kauf durch Spenden der Mitglieder der British Chelonia Group (umgerechnet ca. 15.000.- DM!) ermöglicht wurde, die das Jahr 1996 zum „Jahr der Kapidolo“ erklärt hatte. Während der künstlichen „Regenfälle“ in der Anlage der Tiere dämpfen die Pfleger gleichzeitig die Beleuchtung und spielen eine Tonkassette mit den Geräuschen eines Gewitters ab (!). Der Zoo setzt weitere Hoffnung in sein Zuchtprojekt und hat weitere drei erwachsene Weibchen aus Madagaskar erhalten. Auch die Zoos von Knoxville und New York (Bronx Zoo) besitzen heute wieder Exemplare von Pyxis planicauda und wollen mit dem Zoo von Jersey in einem Nachzuchtprojekt kooperieren. Die fünf New Yorker Tiere wurden mittlerweile in der Forschungs- und Zuchtstation der Wildlife Conservation Society auf der Insel Saint Catherine (Georgia) untergebracht.

Literatur

Biologie und Gefährdung

Systematik und Taxonomie Kulturgeschichte Haltung und Zucht